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125 Jahre Kantorei: Sollt ich meinem Gott nicht singen?

Sollt ich meinem Gott nicht singen?

Gedanken zur Chormusik im Gottesdienst

„Wenn ich nicht Theologe wäre, so würde ich am liebsten Musiker geworden sein.“ Dies schrieb Martin Luther an seinen Freund Johann Walter, den Kantor aus Torgau, der viele Texte Luthers mit Melodien versah (sofern es Luther nicht bereits selbst getan hatte).
 
Martin Luther war Zeit seines Lebens als Lauten- und Flötenspieler, sowie als guter Sänger bekannt. Schon früh beschäftigte er sich mit der Musik. Während der Schulzeit und der Erfurter Studienzeit erhielt er grundlegenden theoretischen und praktischen Musikunterricht. Man kann also sagen, dass Luther in musikalischen Dingen ein Fachmann war. Für ihn war Musik nicht Dekoration des Lebens oder schmückendes Beiwerk im Gottesdienst, das einen Inhalt lediglich transportieren soll. Für Luther war Musik ein unverzichtbarer Teil der Verkündigung, sozusagen ein „Grundnahrungsmittel“.

Sieben freie Künste

In einem Brief an den Komponisten Ludwig Senfl schreibt er 1530 über die sieben freien Künste der Antike (Grammatik, Rhetorik, Dialektik Arithmetik, Geometrie, Musik, Astronomie) und sagt in diesem Zusammenhang:
 
„Deshalb ist es geschehen, dass die Propheten keine Kunst so benutzt haben wie die Musik, denn sie haben ihre Theologie nicht in Geometrie, nicht in Arithmetik, nicht in Astronomie, sondern in Musik gefasst; so dass sie Theologie und Musik überaus eng verbunden haben und so die Wahrheit in Psalmen und Gesängen ausdrückten.“
 
In diesem Kanon der freien Künste kommt die Theologie nicht vor. Höchste Zeit für Luther, dies zu ändern. Er ordnet die Theologie dort aber nicht ein, sondern setzt sie davor und sagt weiter:
 
Ich urteile offen und schäme mich nicht zu behaupten, dass es nach der Theologie keine Kunst gibt, die der Musik gleichgestellt werden kann.“
 
Mit anderen Worten: Zuerst kommt die Theologie. Und von den nachgeordneten sieben freien Künsten kommt an erster Stelle die Musik.

Gemeindegesang

In einer Stellungnahme des landeskirchlichen Ausschusses für Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelischen Kirche im Rheinland zur Qualitätsentwicklung im Gottesdienst heißt es:
 
„Vor allem durch die Kirchenmusik kommt zur Geltung, dass evangelische Gottesdienste nicht vom Pfarrer gehalten, sondern von der Gemeinde gefeiert werden. Die Qualitätssicherung und -entwicklung des Gottesdienstes schließt darum die gottesdienstliche Kirchenmusik notwendig ein.
 
Im Mittelpunkt der gottesdienstlichen Kirchenmusik steht der Gesang der Gemeinde. Vom Anfang der Reformation an ein Kenn- und Markenzeichen der evangelischen Kirche, ist der Gemeindegesang die Grundgestalt der aktiven Beteiligung der Gemeinde am Gottesdienst und ebenso die Grundgestalt der evangelischen Kirchenmusik überhaupt. In einem lebendigen Gemeindegesang zeigt sich die Lebendigkeit des Protestantismus.
 
Aber auch außerhalb der Gottesdienste, in der musikalischen Proben- und Bildungsarbeit und in öffentlichen Aufführungen, lässt die Kirchenmusik die christliche Botschaft und den christlichen Glauben erklingen. Dadurch erreicht, bindet und verbindet die Kirche auch Menschen, die sich gegenüber ihren sonstigen Angeboten eher verschließen. Kirchenmusik gehört zu den kostbarsten Gütern einer Kirche, die missionarisch Volkskirche sein will.“
 
Zu diesem hohen Stellenwert der Musik kommt also dazu, dass im weitaus größten Teil unserer Gemeinden die Kirchenmusik dasjenige Arbeitsgebiet ist, das die meisten Menschen zu kontinuierlichem Tun versammelt. Sie alle verbindet ein gemeinsames Anliegen: Das Lob Gottes in weit, laut und deutlich gehörten Klang zu übersetzen und weiterzusingen.

Menschen

In den Gemeinden reden wir viel von dem, was wir nicht haben: Geld, Zeit, Arbeitskräfte. In unseren Proben und Aufführungen kann man aber sehen und hören, was wir haben: Einen großen Schatz an großen und kleinen Menschen, die gerne und mit Freude singen und musizieren.
 
Sie sind ein Schatz, den wir nicht leichtfertig und ohne Not aus der Hand geben dürfen; ein Schatz, den wir vielmehr - und das ist ein biblischer Auftrag - hegen, pflegen und mehren sollen.

Chorgesang

Manchmal fragen wir uns als Chorsänger:
„Chormusik im Gottesdienst - muß das überhaupt sein? Das gesprochene Wort in Lesung, Gebet und Predigt und das gesungene Wort im Lied der Gemeinde - reicht das nicht? Wozu dann noch eine zusätzliche Chormusik oder gar freie Instrumentalmusik?“
 
Nun, im Gottesdienst werden ja 2 Funktionen erfüllt:
1. Verkündigung - sie geschieht durch die Lesungen und die Predigt
2. Lobpreis Gottes und Anbetung - das geschieht in den Gebeten und Liedern oder in den textlosen Orgelstücken zu Beginn und am Ende des Gottesdienstes.
 
Der Chor aber vermag beides gleichzeitig: Verkündigung und Lobpreis Gottes:
 
1. In Motetten und Strophenliedern, in gesungenen Bibelworten oder freier Dichtung verkündigt der Chor das Wort Gottes. Mit musikalischen Mitteln wird der Text ausgelegt und entfaltet. Das gesprochene Wort in Lesung, Gebet und Predigt wird durch das gesungene Wort vertieft und ergänzt.
 
Wenn in einer Predigt das Wort Gottes in gesprochener Form ausgelegt wird, so geschieht das durch die Predigt des Chores in musizierter Form. Dabei kann die gesungene Predigt im Hörer andere, sogar tiefere Schichten erreichen. Die von der Kanzel gesprochene Predigt spricht zunächst den Kopf an, die gesungene Predigt aber auch das Herz.
 
Darum ist der Dienst des Chores nicht eine Dekoration des Gottesdienstes oder ein Luxus, auf den man auch verzichten könnte. Nein, das Singen des Chores ist ein unverzichtbarer Teil der Verkündigung.
 
2. Stellvertretend für die Gemeinde singt der Chor einen mehrstimmigen Lobpreis Gottes - sozusagen eine Steigerung des einstimmigen Gemeindegesangs. Das geschieht aber nicht nur stellvertretend für die Gemeinde, sondern auch gemeinsam mit ihr; sei es, dass der mehrstimmige Chor mit der einstimmigen Gemeinde im Wechsel singt, als eine Kanongruppe innerhalb der Gottesdienstteilnehmer fungiert oder mit Iunctim-Sätzen die Gemeinde in die Mehrstimmigkeit einbindet.
 
Die Kantorei der Marktkirche stellt sich seit 125 Jahren diesen Aufgaben: Sie verbindet Menschen zur Verkündigung und zum gemeinsamen Lob Gottes gemäß der Aufforderung in Kolosser 3, 16: „Lehret und ermahnet euch selbst in aller Weisheit mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern und singt Gott dankbar in euren Herzen.“
 
Ich wünsche unserer Kantorei (d.h. allen singenden und musizierenden Gruppen unserer Gemeinde) und allen meinen Nachfolgern, dass dies weiterhin mit Freude geschieht.
 
Thomas Schmidt